Seit altersher ist es das Bedürfnis eines wohl jeden Menschen, sein Eigentum gegen unerlaubte Zugriffe von außen zu schützen. Zu diesem Zweck wurden Häuser mit Türen und Fenster gebaut, Zäune aufgestellt und Mauern hochgezogen. All das soll einem möglichen Eindringling zeigen, dass er nicht erwünscht ist. Was im kleinsten gesellschaftlichen Bereich funktioniert, sollte auch im Großen aufgezeigt werden und ist durchaus historisch verwurzelt. So schützten sich die Chinesen vor den nomadischen Reitervölkern aus dem Norden durch das einzige Monument, das auch vom Mond aus mit freiem Auge gesehen werden kann: Der Chinesischen Mauer. Die Römer errichteten den Hadrianswall und den Limes, um die Barbaren davon abzuhalten, eine hochentwickelte Kultur zu zerstören. Um jede mittelalterliche Stadt wurden Befestigungsmauern erbaut. All diese Überlegungen dürften wohl auch 1961 zur Entscheidung Nikita Chruschtschows und Walter Ulbrichts geführt haben, den ehemaligen deutschen Ostsektor, die nunmehr eigenständige Deutsche Demokratische Republik gegenüber des Westens abzugrenzen. In einem streng geheimen Fernschreiben an das Bundeskanzleramt warnte der Bundesnachrichtendienst davor, den Ost- vom Westsektor abzukapseln. Hierzu gehörte etwa auch die Unterbrechung der S- und U-Bahn. Praktisch über Nacht wurden in den Städten an den Sektorgrenzen bis zu 4,20 m hohe Mauern errichtet (ganz West-Berlin wurde auf einer Länge von 156,40 km richtiggehend eingemauert), außerhalb wurden Stachelzäune aufgebaut und Todeszonen eingerichtet. Ulbricht sprach damals von einer "befestigten Staatsgrenze", seine Parteiideologen in der SED von einem "antifaschistischen Schutzwall". 1-2.000 Personen flüchteten täglich aus dem Ostsektor in den Westteil der Stadt. Die Mauer sollte einen Exodus durch Massenflucht verhindern. Wer bis zu diesem 13. August 1961 die DDR nicht verlassen hatte, der war nun durch den "Eisernen Vorhang" im eigenen Land gefangen. "Beschützt" wurden die Einwohner des Ostens durch das scharfe Auge der Grenztruppen und der Volkspolizei, die auf alles, was sich in dieser Todeszone bewegte, schossen. Tragischerweise allerdings immer mehr auf die eigenen Landsleute, die in den Westen fliehen wollen. Rund 1.000 starben - kaum einer der Täter hat sich jemals dafür entschuldigt. Sie handelten nach dem Schießbefehl! "Die Verantwortung lag bei demjenigen, der versucht hat, gegen die Gesetze des Staates zu handeln und der nicht auf die Anweisungen der Vertreter der Staatsmacht reagiert hat!", soweit der Politoffizier der Grenztruppen Klaus-Peter Renneberg im ARD-Dokudrama "Geheimsache Mauer". Die Berliner Mauer wurde zum Symbol des Kalten Krieges - des militärischen Aufrüstens und der gegenseitigen, ständigen Provokation von Ost und West. Heute wird der Ziegel- und Betonwall auch gerne als "Schandmal der Geschichte" bezeichnet. Wobei nach wie vor nicht geklärt ist, welche der Streitparteien eigentlich vor der jeweils anderen beschützt werden sollte: Der kommunistische Osten oder der faschistische Westen. Tatsächlich allerdings dürfte der Hintergrund im Kapitalismus und der freien Marktwirtschaft des Westens gelegen haben. Der Osten arbeitete nach der Planwirtschaft. Welches der beiden Systeme besser ist, sei dahingestellt. Jedenfalls haben Ulbricht und seine Nachfolger wie vor allem auch Erich Honecker eine eventuelle Einmischung durch den Westen dadurch unmöglich gemacht. Honecker übrigens war für die Planungen des Baus verantwortlich. Unter ihm wurden gar Importe und Hortungen von Stacheldraht und Baustoffen aus dem Westen durchgeführt. Er war es auch, der meinte, dass die Mauer weitere hundert Jahre stehen bleiben soll. Der Wall als ein Teil des Eisernen Vorhanges teilte Berlin für 28 Jahre in zwei komplett konträre Welten. Im Osten bildete oftmals nur der Fernseher das unerlaubte Tor zur anderen Seite. Besuche im Westen oder Besucher von dort mussten lange Zeit vorher beantragt oder bekannt gegeben werden. Nur wenige Grenzübergänge ermöglichten einen sozialen Austausch. Der wohl bekannteste: Checkpoint Charlie in Berlin. Nachdem sich Erich Honecker aus gesundheitlichen Grünen zurückzog, musste auch das SED-Regime erkennen, dass der Kommunismus in der vorexerzierten Form offenbar doch nicht bleibenden Charakter hatte. Trotzdem wurde bis zuletzt an einer Modernisierung der Mauer gearbeitet. Die "Mauer 2000" sollte ein unsichtbares High-Tech-Hindernis werden. Bewegungsmelder und Sensoren hätten eine Flucht unmöglich gemacht, ertappte Personen sollten mit Betäubungsgewehren niedergestreckt werden. Der große Bruder, die Sowjetunion hatte 1989 wahrhaft genug mit sich selbst zu tun, weshalb sich deren Ministerpräsident Michail Gorbatschow mit Glasnost und Perestroika den bisherigen Feinden öffnete. Nach der Massenflucht von DDR-Bürgern über die österreichisch-ungarische Grenze kam es dann an diesem 09. November 1989 zum historischen Mauerfall und der deutschen Einheit. Nunmehr ganz wenige Mauerreste sollen noch an eine der düstersten Zeiten in der deutschen Geschichte erinnern. Der Checkpoint Charlie wurde in der Friedrichstrasse wieder aufgebaut. Er dient den Berlin-Touristen als Fotomotiv. Gegen ein geringes Entgelt können auch vermeintliche sowjetische und amerikanische Soldaten für ein Bild verpflichtet werden. Doch auch Charlie ist nicht mehr echt - es handelt sich ebenso wie bei dem dahinterstehenden weißen Gebäude der US-Army oder das daneben stehende sowjetische Gebäude um einen Nachbau. Das Original steht im Alliierten-Museum im Westteil der Stadt. Es ist offenbar ein Teil der Geschichte, den zumindest die verantwortlichen Landespolitiker gerne streichen würden. Nicht etwa der öffentlichen Hand, sondern vielmehr einer privaten Initiative ist es zu verdanken, dass die Touristen ein gern verwendetes Fotomotiv haben. Auch das Museum, das am ehemaligen Grenzübergang eingerichtet wurde, ist ein privates. Die ausgezeichneten Besucherzahlen überzeugen die Stadtpolitiker nicht zu einem Engagement. Mauerreste können 50 Jahre nach ihrem Bau nur mehr an wenigen Plätzen besichtigt werden (etwa am Martin-Gropius-Platz) Willy Brandt hatte einen Tag nach dem Mauerfall dazu aufgerufen, ein "Stück von jenem scheußlichen Bauwerk" stehen zu lassen. Private Interessenten sprechen sich immer mal wieder dafür aus, dass Teile der Mauer für nachfolgende Generationen als Mahnmal erneut aufgestellt werden sollen. Nur ein Abgeordneter der Linken, das ehemalige SED-Parteimitglied Flierl engagierte sich in dieser Hinsicht, musste seine Bemühungen nach öffentlicher Kritik allerdings wieder in die Schublade legen. Von öffentlicher Seite konnte der Abbau des Schandmales wohl nicht schnell genug gehen - 22 Jahre nach dessen Fall will sich nach wie vor kein Politiker die Finger verbrennen oder schmutzig machen. Aufwendige Ermittlungen in Moskau, Washington und Berlin haben inzwischen ergeben, dass der Staatsratsvorsitzende Ulbricht durch diesen Bau seine eigene und die Macht der SED sichern wollte - nichts anderes (Hope M. Harrison in "Ulbrichts Mauer", Ullstein-Verlag, 506 Seiten, 24,99 Euro). Der sowjetische Staatschef Nikita Chruschtschow musste hierzu erst überredet werden. Es ist müßig zu denken: "Was wäre, wenn die Mauer damals nicht gebaut worden wäre!?" In einem Positionspapier der Linken Mecklenburg-Vorpommerns zum Landesparteitag am 13. August 2011 wird betont, dass der Mauerbau notwendig gewesen sei. Schließlich habe man dadurch den 3. Weltkrieg verhindert. Linken-Landesparteichef Steffen Bockhahn distanziert sich hiervon und spricht von der DDR als eine "historische Sackgasse". Die Berliner Mauer ist ein Teil der Geschichte Deutschlands. Ein Mann hat es geschafft, eine ganze Nation in zwei Hälften zu trennen! Für Moskau war Deutschland nur ein Testgebiet: Was funktioniert besser - Kommunismus oder Kapitalismus, meint die US-Professorin Harrison! Ulrich Stock |
TAM-Wochenblatt Ausgabe 23 KW 32 | 11.08.2011 |
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